EU Datenschutz

Sinn oder Unsinn der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung

Überwacher verklagen, Datenschutzreform reformieren

Dieser Beitrag erschien vorab auf der Webseite der Piratenpartei Deutschland.

Menschen, die Kontaktdaten ihrer Freunde und Bekannten ohne deren Wissen oder Einverständnis bei Googlemail verwalten; Menschen, die ihren alten Laptop bei Ebay verkaufen ohne die Festplatte gründlich zu löschen; Menschen, die ungehalten reagieren, wenn man sie bittet, persönliche Fotos nicht ins Netz zu stellen.

Nein, diese Situationen sind nicht fiktiv. Sie passierten in den letzten Jahren regelmäßig. Sie machen deutlich, dass es bisher kein wirkliches Bewusstsein dafür gibt, wie mit den Daten Dritter umgegangen wird, und dass es sich hierbei um schützenswerte Informationen handelt. Das hat sich mit Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vor zwei Jahren und deren endgültigem Inkrafttreten im Mai nicht geändert. Erst die Tatsache, dass der fahrlässige Umgang mit Daten, die uns anvertraut wurden, nun strafbewehrt ist, verändert den Blick darauf, wo Daten anfallen und wie sicher mit ihnen umgegangen wird.

Datenschutz schützt den einzelnen Menschen, damit er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten nicht in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Die DSGVO hat jedoch einige blinde Flecken. Die europaweite Vereinheitlichung aller Regeln ist vielfach nur mit viel Schwammigkeit und Rechtsunsicherheit gelungen. Dies liegt leider durchaus im Interesse der Wirtschaft, der ‘Datenindustrie’, und auch einiger Regierungsstellen. Deutschland hat vorhandene Umsetzungsspielräume vorwiegend zum Abbau statt zur Stärkung des Datenschutzes genutzt. Hier muss ein Umdenken stattfinden, denn der Schutz der Privatheit in der Zukunft muss heute definiert und umgesetzt werden.

Konkret fehlt ein europaweiter Schutz des besonders sensiblen Surfverhaltens im Internet vor Ausspähung und Auswertung. Die in den letzten Wochen vielfach penetrant aufdringlich auftauchenden Aufforderungen zur „Einwilligung“ in neue Datenschutzerklärungen entsprechen meist nicht den Vorgaben der DSGVO, denn es fehlt an klaren verständlichen Texten über die Art der Datenverwendung und an der Freiwilligkeit der Einwilligung. Letztlich fehlt oftmals die Möglichkeit, eine geforderte Einwilligung ablehnen zu können. Hier macht sich eine datenhungrige Industrie die Verunsicherung der Anwender und die Überforderung der Aufsichtsbehörden zunutze. Sanktionsmaßnahmen bietet die Datenschutzverordnung, sie müssen jedoch angewendet werden.

Die für die Aufklärung der Bevölkerung und auch der Unternehmen zuständigen Landesdatenschutzbehörden sind schon seit Jahren unterfinanziert und zu schwach ausgestattet. Mit weniger als 500 Beschäftigten in allen Aussichtsbehörden zusammengenommen sollten sie nicht nur die Menschen, Vereine, Ärzte, Anwälte, kleine und große Unternehmen im Land im Vorfeld über die neuen Regeln informieren und die Anwendung erklären, sondern auch die Kontrollen der über drei Millionen Unternehmen durchführen. Das kann nicht funktionieren, deshalb fordern wir mindestens eine Verdoppelung der Beschäftigtenzahl und strukturell dauerhaft bessere Ausstattung der Aufsichtsbehörden.

Die Grenzen privater Videoüberwachung sind ebenfalls unklar und die öffentliche Videoüberwachung ist vielfach neu und mit weit gefassten Einsatzmöglichkeiten in die Landesdatenschutzgesetze aufgenommen worden. Regelungen zum Umgang mit z.B. Gesichtserkennung fehlen dagegen völlig. Hier gilt es, strikte und vor allem transparente Regeln für die Nutzung von Bildauswertungen durch Algorithmen aufzustellen.

Die aktuelle Kampagne gegen vermeintlich überzogene Datenschutzvorgaben durch die DSGVO weisen wir daher zurück. Wer bisher den Schutz der ihm anvertrauten Daten ernst genommen hat, hat von der DSGVO nichts zu befürchten. Abmahnungen bei Datenschutzverstößen treffen Privatpersonen nicht. Dass im geschäftlichen Verkehr eine Abmahnung teuer werden kann, ist ein allgemeines und nicht auf den Datenschutz beschränktes Problem. Sonderregeln für Datenschutz-Abmahnungen im geschäftlichen Bereich, wie sie die Bundesregierung derzeit plant, lehnen wir ab, denn auch Abmahnungen sind ein effektives und wichtiges Instrument zur Rechtsdurchsetzung. Diskutabel ist es, die Kostenerstattungspflicht für Erstabmahnungen allgemein abzuschaffen, also auch z.B. für die ausufernden Urheberrechtsabmahnungen.

Wir brauchen demnach eine Reform der Reform und einen lebensnahen Ausbau der DSGVO. Und wir brauchen viele Klagen gegen Überwacher, um die neuen Paragrafen mit Leben zu füllen, denn Gerichte spielen auch eine wichtige Rolle bei der Abwägung von Grundrechten. Ziel von all dem ist ein angemessener Umgang mit diesem Thema.

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